Wer Kinder hat, stellt andere Fragen: Was, wenn plötzlich der Hauptverdiener ausfällt? Macht eine Unfallversicherung für Babys Sinn? ERGO Experte Sven Pfeuffer klärt auf. Und er verrät einen Fehler, den (fast) alle Familien begehen.
Was ist richtig, was ist falsch? Über die Unsicherheit junger Familien in Versicherungsfragen sprach die dreifache Mutter Lucy Geithner in Erfurt mit unserem dortigen Filialdirektor, Sven Pfeuffer.
Lucy Geithner: Herr Pfeuffer, mein Mann und ich denken manchmal darüber nach, ob wir und die Kinder ausreichend abgesichert sind. Wie ist Ihre Erfahrung generell: Sind die meisten Familien gut und ausreichend versichert? Sven Pfeuffer: Ich glaube tatsächlich, dass viele Familien nicht bedarfsgerecht versichert sind. Den Meisten ist diese Tatsache aber wohl nicht bewusst.
Geithner: Was meinen Sie damit? Pfeuffer: Viele haben grundsätzlich die richtigen Verträge abgeschlossen, aber bei den existenziellen Risiken zu niedrige Summen für den Schadensfall festgelegt. Dadurch sparen sie zwar kurzfristig Beiträge, erhalten aber im Ernstfall eventuell eine nicht ausreichende Schadenzahlung. Aus meiner Sicht werden oft die falschen Schwerpunkte gesetzt.
Geithner: Können Sie das konkretisieren? Pfeuffer: Gerne. Es ist erstaunlich, welche Summen manche in ihre Autoversicherungen investieren. Hier wird zum Teil viel Geld für Vollkaskoversicherungen für sehr alte Autos bezahlt. In anderen Bereichen, wie dem Unfallschutz oder der Absicherung für Berufsunfähigkeit, wählt man oft den günstigeren Weg. Und das, obwohl gerade diese zwei Policen wirklich die Existenz ganzer Familien retten können.
Geithner: Worauf führen Sie denn dieses Verhalten zurück? Pfeuffer: Nicht jeder nimmt sich vielleicht genug Zeit, um sich mit diesen Dingen intensiv zu beschäftigen und sie einmal konsequent zu Ende zu denken...
Geithner: ...vielleicht liegt es aber auch an den komplizierten Versicherungs-Verträgen oder fehlender beziehungsweise falscher Beratung? Pfeuffer: Das kann natürlich auch ein Grund sein. Zu einer guten Beratung gehören immer zwei Seiten, die einander ergänzen, ein kompetenter Vermittler und ein interessierter Kunde, völlig klar.
Geithner: Das sind ja oft auch relativ abstrakte Themen. Bei einem Auto kennt man den Wert. Was nach einem Unfall in der Zukunft passiert, ist nicht greifbar. Pfeuffer: Da haben Sie völlig Recht, Frau Geithner. Manchmal liegt es auch an fehlenden persönlichen Erfahrungen. Wer einmal erlebt hat, welche Kosten auf einen zukommen, wenn ein Familienmitglied pflegebedürftig wird, denkt garantiert sofort anders über Pflegezusatzversicherungen nach. Menschen, die im Bekanntenkreis die Folgen eines schweren Unfalls hautnah miterlebt haben, sehen die Notwendigkeit einer Unfallversicherung aus einem völlig anderen Blickwinkel.
Geithner: Nach welchen Kriterien sollten Familien überhaupt ihre Versicherungen auswählen? Pfeuffer: Im Mittelpunkt steht immer die Absicherung gegen so genannte existenzielle Risiken. Familien brauchen Versicherungen, die ein geordnetes Leben nach einem Schicksalsschlag ermöglichen. Was passiert, wenn plötzlich das Einkommen des Hauptverdieners ausfällt? Wovon leben sie dann? Wer zahlt den Kredit für das Haus weiter ab?
Geithner: Aber nicht jeder hat gleich viel Geld für Versicherungen übrig? Pfeuffer: Das verfügbare Einkommen und der eigene Lebensstandard sind natürlich genau so wichtige Kriterien wie das persönliche Sicherheitsbedürfnis. Nach einer groben Faustregel sollten 20 bis 25 Prozent des Nettoeinkommens für die Absicherung gerechnet werden.
Geithner: Aber was ist mit Durchschnitts- oder gar Geringverdienern? Eine Friseuse mit 1.600 Euro brutto im Monat hat doch gar nicht den Spielraum. Was raten Sie solchen Familien? Pfeuffer: Ich empfehle in jedem Fall eine private Haftpflichtversicherung. Und das Familieneinkommen sollte bei Krankheit oder nach einem Unfall gesichert sein. Mit dieser Auswahl kann auch eine finanziell schwächere Familie vorsorgen.
Geithner: Und wenn die Familie vielleicht im eigenen Haus wohnt? Pfeuffer: Dann sollte unbedingt auch eine Wohngebäudeversicherung abgeschlossen werden, dazu kann ich nur raten.
„Viele Familien sind nicht richtig versichert – und wissen es nicht.“ Sven Pfeuffer
Geithner: Mit drei Kindern denkt man ständig: Was brauche ich für ihren Schutz, was nicht? Was ist mit Krankenzusatzversicherungen? Pfeuffer: Da kommt es stark auf Ihre persönlichen Vorlieben an. Legen Sie im Notfall Wert auf Chefarztbehandlung und freie Krankenhauswahl, oder möchten Sie sicherstellen, dass Sie auf jeden Fall mit Ihrem Kind in einem Krankenhauszimmer alleine übernachten können, dann machen zusätzliche Absicherungen Sinn. Ich empfehle übrigens Eltern auch für Kleinkinder immer eine Versicherung, an die kaum jemand automatisch denkt.
Geithner: Und welche ist das? Pfeuffer: Eine Pflegezusatzversicherung. Die gibt es in jungen Jahren für Kleinstbeiträge. Auch Kinder können zum Pflegefall werden. In einem solchen Fall steht man allein mit den gesetzlichen Leistungen nicht wirklich gut da. Aus ähnlichen Gründen macht auch eine Unfallversicherung eigentlich sehr frühzeitig Sinn.
Geithner: Aber für Neugeborene? Die liegen doch zunächst nur herum. Warum sollten ausgerechnet die denn eine Unfallversicherung brauchen? Pfeuffer: Sofern die Eltern eine Unfallversicherung besitzen, ist das Kind bis zu zwölf Monate über die Familienvorsorge abgesichert. Spätestens wenn es herumkrabbeln oder laufen kann, ist eine eigene Absicherung sehr zu empfehlen. Die Versicherungssummen in der Familienvorsorge bieten oft nicht mehr als eine Übergangslösung. Wenn ein Kind nach einem Unfall Invalide wird, stellt das eine Familie plötzlich vor große Probleme.
Geithner: Ist es eigentlich besser, alle Familienmitglieder einzeln gegen Unfall abzusichern – oder lieber in einer gemeinsamen Versicherung? Pfeuffer: Es ist definitiv günstiger, die Familie in einem Vertrag zusammen zu fassen, aber für jedes einzelne Mitglied individuelle Absicherungssummen zu wählen. Der Hauptverdiener der Familie sollte am besten abgesichert sein.
Geithner: Wenn man über die Kosten als Familie nachdenkt: Brauchen Erwachsene denn wirklich eine Versicherung gegen Berufsunfähigkeit und Unfall? Reicht nicht alleine die BU? Pfeuffer: Ich würde sagen: nein. Die Berufsunfähigkeitsversicherung leistet erst, wenn der Beruf zu mehr als 50 Prozent nicht mehr ausgeübt werden kann. Wer zum Beispiel bei einem Unfall einen Daumen verliert, erhält Leistungen aus der Unfallversicherung. Ob er dann noch arbeiten kann, hängt stark vom Beruf ab. Ein Chirurg oder Feinmechaniker wäre mit großer Wahrscheinlichkeit berufsunfähig, während etwa Kraftfahrer oder Büroangestellte weniger betroffen wären. Wenn es schlimmer kommt, kann die Unfallversicherung für die Rückkehr ins Leben entscheidend sein, zum Beispiel durch Leistungen für barrierefreies Wohnen. Umgekehrt reicht die alleine auch nicht: Bekommt ein Bäcker plötzlich eine Mehl-Allergie, ist er berufsunfähig, ohne einen Unfall gehabt zu haben.
Geithner: Eine letzte Frage: Alle haben immer eine Hausratversicherung. Braucht man die tatsächlich unbedingt? Sven Pfeuffer: Nicht für jeden ist der Verlust seines Hausrats sofort ein existenzbedrohendes Ereignis. Dies liegt also im Ermessen und der individuellen Situation eines jeden einzelnen Kunden.
→ Lucy Geithner ist Mitglied im ERGO Kundenbeirat und Mutter von drei Kindern. Zusammen mit ihrem Mann betreibt sie im thüringischen Wurzbach einen holzverarbeitenden Betrieb.
→ Sven Pfeuffer ist Filialdirektor der Regionaldirektion von ERGO in Erfurt.
(Fotos: Julian Baumann)