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Behindertentestament: Das ist zu beachten

Erben mit Behinderung

Gibt es ein Behindertentestament, dürfen Hinterbliebene mit Behinderung ihr Erbe auch anders nutzen.

Eine Spielzeugfigur, die einen Menschen darstellt, steht zwischen zwei Papierstapeln.

Mit einem Testament entlasten Sie Ihre Angehörigen in einer schweren Situation. Besonders ist die Situation, wenn einer Ihrer Erben wegen einer Behinderung nicht voll erwerbsfähig und womöglich auf Pflege und Betreuung angewiesen ist. In diesem Fall würde das Erbe fast vollständig für Pflege, Sozialleistungen und die Eingliederungshilfe verwendet werden. Erst wenn das Vermögen aufgebraucht ist, besteht ein Anspruch auf Sozialhilfe.

Mit einem Behindertentestament lässt sich das vermeiden: So kommt das Geld stattdessen dem Erben zugute.

Behindertentestament – Das Wichtigste im Überblick

  • Erbt ein Sozialhilfeempfänger mit Behinderung, kann das Erbe ggf. vom Sozialhilfeanspruch abgezogen werden.
  • Bei einem Behindertentestament wird die behinderte Person als Vorerbe genannt. Ein Nacherbe erbt von ihr den Rest des Vermögens.
  • Ist das Behindertentestament korrekt und unmissverständlich formuliert, kann die behinderte Person selbst das Erbe zusätzlich zur Sozialhilfe für ihre persönlichen Bedürfnisse verwenden.

Was ist ein Behindertentestament?

Das Behindertentestament ist eine besondere Form des Testaments und wird eingesetzt, wenn mind. ein Erbe eine Behinderung hat. Mit einem sog. behindertengerechten Testament oder auch sozialhilfefesten Testament lässt sich sicherstellen, dass das geerbte Vermögen erhalten bleibt und nicht an Träger von Sozialleistungen oder Eingliederungshilfen geht. Ist kein Behindertentestament vorhanden, kann es sein, dass der Erbe nicht vom Nachlass profitiert.

Eine Erbschaft kann für Behinderte die Kürzung der Sozialleistungen bedeuten

Die Sozialhilfe deckt die Grundversorgung von Sozialhilfeempfängern, z. B. notwendige Heimkosten. Sie wird nur dann bezahlt, wenn die behinderte Person kein eigenes Vermögen hat bzw. wenn sie ihr eigenes Vermögen fast vollständig verbraucht hat. Darunter fällt auch geerbtes Vermögen.

Der Grund dafür: Durch die Erbschaft gilt eine behinderte Person nicht mehr als bedürftig. Damit können die Sozialleistungen gekürzt oder sogar eingestellt werden. Das liegt am sog. Nachrangigkeitsprinzip: Nur wenn der Behinderte seinen Lebensunterhalt nicht mit dem eigenen Vermögen bestreiten kann, bekommt er Sozialleistungen für Menschen mit Behinderung, z. B. Eingliederungshilfe oder Grundsicherung. Mit dem Behindertentestament kann dem behinderten Erben über die Vor- und Nacherbschaft Vermögen zugewendet werden, auf das der Staat keinen Zugriff hat.

Wann ist ein Behindertentestament sinnvoll?

Ein Behindertentestament ist z. B. sinnvoll, wenn ein Angehöriger mit Behinderung Sozialleistungen oder Leistungen der Eingliederungshilfen bezieht, z. B. weil er pflegebedürftig ist oder nur wenig bzw. kein eigenes Einkommen hat. Die Höhe des Erbes spielt dabei keine Rolle: Auch ein großes Erbe bleibt vollständig im Besitz der Erben und fällt nicht an die Träger von Sozialleistungen, wenn ein Behindertentestament vorliegt.

Das Behindertentestament sichert eine gute Versorgung behinderter Menschen

Das sog. „behindertengerechte Testament“ ist die wirksamste und sicherste Methode zur Versorgung behinderter Familienangehöriger. Es stellt sicher, dass der Behinderte das geerbte Vermögen für die Verbesserung seines Lebensstandards verwenden kann – unabhängig von den Sozialleistungen.

Ein Musterformular reicht für das Behindertentestament meist nicht aus

Eine Standard-Musterformulierung reicht bei einem Behindertentestament i. d. R. nicht aus. Denn die persönlichen Lebensumstände, Wünsche und Bedürfnisse sind von Fall zu Fall sehr unterschiedlich. Lassen Sie sich daher unbedingt von einem Notar oder einem Fachanwalt beraten. Dieser kann Sie auch beim Aufsetzen des Behindertentestaments unterstützen und dieses auf Wunsch für Sie verwahren, bis der Erbfall eintritt.

Was kostet ein Behindertentestament?

Die Kosten für ein Behindertentestament variieren – genau wie bei jedem anderen Testament – abhängig davon, ob Sie das Testament privat aufsetzen oder ob Sie einen Anwalt oder Notar damit beauftragen. Wenn Sie die Erbschaft für den behinderten Menschen mit einem Notar regeln, zahlen Sie einen bestimmten Gebührensatz, der sich nach der Höhe des Erbes richtet. Für das Hinterlegen des Behindertentestaments beim Notar fallen zusätzlich Kosten in Höhe von 70–80 € an.

Ein Behindertentestament schützt das Erbe besser als Enterbung

Als Alternative zum Behindertentestament erwägen einige Menschen das folgende Konstrukt: Die behinderte Person wird enterbt oder mit einer Erbquote bedacht, die unter der Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils liegt. Stattdessen wird eine Person bestimmt, die den Anteil des Behinderten übernimmt. Diesen lässt sie ihm auf anderem Weg zukommen.

Diese Lösung ist i. d. R. keine gute Idee: Das Problem dabei ist, dass enterbte behinderte Nachkommen oder Ehepartner des Verstorbenen grundsätzlich Anspruch auf einen Pflichtteil haben. Dieser Pflichtteil bedeutet Vermögen, das zur Bestreitung des Lebensunterhalts verwendet werden muss – und darauf kann der Sozialhilfeträger zugreifen.

Vorerbe und Nacherbe: Wie funktioniert ein Behindertentestament?

Bei einem Behindertentestament wird die behinderte Person als Vorerbe genannt und eine dritte Person oder eine Organisation als Nacherbe. Das kann z. B. ein Familienmitglied, eine pflegende Person oder auch eine Pflegeeinrichtung sein. Weil der Vorerbe nicht allein über das Vermögen bestimmen kann, darf auch der Staat nicht darüber verfügen. So wird das Erbe erhalten und kleine Beträge werden an die behinderte Person ausgezahlt.

Diese Rechte hat der Vorerbe

Der Vorerbe darf nur beschränkt über das Erbe bestimmen – er tritt damit eine sog. beschränkte Vorerbschaft nach §§ 2113 ff. BGB an. Er darf z. B. keine Grundstücke oder Schiffe verkaufen und keine großen Geschenke aus der Erbschaft machen. Davon ausgenommen sind übliche Ausgaben wie z. B. Geburtstagsgeschenke.

Mit diesen Beschränkungen soll sichergestellt werden, dass der Nacherbe noch etwas von dem Vermögen hat. Im Behindertentestament soll diese Beschränkung verhindern, dass der Sozialhilfeträger durch eine Vollstreckung auf den Nachlass zugreifen kann.

Verstirbt der Vorerbe oder tritt eine andere, zuvor im Testament festgelegte Bedingung ein, geht das Vermögen automatisch an den Nacherben. Im Gegensatz zur Erbengemeinschaft erben Vor- und Nacherbe also nicht gleichzeitig, sondern hintereinander.

Gut zu wissen

Der Bundesgerichtshof hat das Behindertentestament grundsätzlich als nicht sittenwidrig und damit als wirksam beschrieben. Offen ist aber, ob das bei einer besonders großen Erbschaft anders zu beurteilen ist – z. B., wenn der behinderte Erbe seinen Lebensunterhalt ausschließlich aus dem Erbe bestreiten könnte.

„Beschränkte Vorerbschaft“ regelt die Verfügungsmacht des behinderten Erben

In einem Testament für Behinderte muss i. d. R. eine „beschränkte Vorerbschaft“ angeordnet werden. Dabei wird ausdrücklich festgehalten, dass der Vorerbe nicht von den Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB zu befreien ist. Denn: Wenn der Vorerbe in seiner Verfügungsmacht beschränkt ist, d. h., wenn er nicht frei über das Erbe verfügen kann, gilt das auch für Dritte, die auf sein Vermögen zugreifen wollen. Der Sozialhilfeträger kann zwar in das Vermögen des Behinderten eingreifen. Doch wenn er das tut, muss er nach dessen Tod die entnommene Summe wieder zurückzahlen. Eine Vollstreckung ergibt daher wenig Sinn.

Vorerbschaft und Nacherbschaft greifen auch beim Tod des behinderten Erben

Das Prinzip der Vor- und Nacherbschaft wirkt sich auch beim Tod des behinderten Familienmitglieds selbst aus. Verstirbt der Vorerbe, fällt das Vermögen i. d. R. dem Nacherben zu. Wie im Behindertentestament festgehalten, gilt auch der Nacherbe als Erbe desjenigen, der ursprünglich an den behinderten Vorerben vererbt hatte. Somit vererbt der Behinderte selbst nichts. Auf diese Weise wird verhindert, dass aus dem Nachlass des behinderten Vorerben die Sozialhilfekosten der letzten 10 Jahre zurückgezahlt werden müssen.
Sollte die behinderte Person selbst etwas vererben, müssen ihre Erben dieses Vermögen u. U. an den Staat zahlen. Sie müssen dann die vom Behinderten empfangenen Sozialleistungen der letzten 10 Jahre ausgleichen, sofern die Erbsumme dafür ausreicht. Mit der Vor- und Nacherberegelung im Behindertentestament lässt sich das vermeiden. Damit kann der behinderte Erbe weiterhin uneingeschränkt Sozialleistungen beziehen und zusätzlich die Erbschaft verwenden.

Behindertentestament aufsetzen: Die wichtigsten Schritte

  1. Der Erbe mit Behinderung wird als Vorerbe eingesetzt, mit einem Erbteil oberhalb des Pflichterbteils.
  2. Es werden ein oder mehrere Nacherben bestimmt, an die das Erbe nach dem Tod des Vorerbes fällt.
  3. Es wird eine Testamentsvollstreckung auf Lebenszeit zugunsten des Vorerben mit Behinderung angeordnet.
  4. Im Testament wird konkret festgehalten, wie und in welchem Umfang der Vorerbe das geerbte Vermögen zur Verbesserung seiner Lebensqualität einsetzen darf.
  5. Für den Fall, dass der behinderte Erbe einen rechtlichen Vormund hat, ist festzulegen, dass auch die Kosten für die rechtliche Betreuung nicht aus dem Vorerbe gezahlt werden.

Verwaltung des Vorerbes: Die wichtige Aufgabe des Testamentsvollstreckers

Nach dem Tod der behinderten Person erben die Nacherben das Vermögen. Das können z. B. die Geschwister oder eine Behinderteneinrichtung sein. Damit das Erbe bis dahin erhalten wird, muss ein Testamentsvollstrecker als Verwalter eingesetzt werden. Er achtet darauf, dass das Testament nach dem Willen des Verstorbenen ausgeführt wird.

Testamentsvollstreckung: Was passiert mit den Erbschaftserträgen?

Während der Testamentsvollstrecker das Erbe verwaltet, entstehen sog. Erbschaftserträge – z. B. Zinserlöse von dem Konto, auf dem das Erbe angelegt ist. Was mit diesen Erträgen passieren soll, muss ebenfalls bereits im Testament festgelegt werden. Erblasser können z. B. verfügen, dass die Erbschaftsanträge ausschließlich für Gesundheitsausgaben oder zur Verbesserung des Lebensstandards der behinderten Person genutzt werden dürfen, z. B. für ein Hobby.

Um sicherzustellen, dass diese Beschlüsse eingehalten werden und der Vorerbe nicht über den Nachlass verfügen kann, muss der Erbteil unter eine lebenslange Testamentsvollstreckung gestellt werden.

Der Testamentsvollstrecker ist an die Vorgaben im Testament gebunden. Er verwaltet das Erbe und muss dem Behinderten aus dem Nachlass das zukommen lassen, was dieser im täglichen Leben braucht. Das kann Kleidung sein, Reisen oder persönliche Dinge.

Tipp:

Als Testamentsvollstrecker empfiehlt sich eine Vertrauensperson des Behinderten oder eine Institution aus seinem direkten Umfeld. Dieser muss rechtswirksam schriftlich benannt werden.

2 Formen des Behindertentestaments: Erbschaftslösung und Vermächtnislösung

Es gibt 2 Formen des Behindertentestaments:

  • Bei der Erbschaftslösung bekommt der Erbe mit Behinderung zwar formell das Erbe, kann darauf aber nur begrenzt zugreifen.
  • Bei der Vermächtnislösung wird der Erbe mit Behinderung formell nicht als Erbe eingesetzt.

Achtung:

Bei keiner der beiden Varianten kann der Behinderte im vollen Umfang auf die Erbschaft zugreifen. Er unterliegt immer gewissen Beschränkungen.

Behindertentestament mit Erbschaftslösung

Bei der Erbschaftslösung wird der Behinderte zum beschränkten Vorerben eingesetzt. Seine Erbquote sollte mehr als den Pflichtteilsanspruch betragen. Als Nacherben werden z. B. Kinder, Geschwister, Nichten und Neffen oder eine gemeinnützige Organisation eingesetzt. Zudem wird eine Dauervollstreckung auf Lebenszeit angeordnet.

Behindertentestament mit Vermächtnislösung

Bei der Vermächtnislösung wird dem Behinderten nur ein sog. Vermächtnis zugesprochen. Damit nimmt der Erblasser einen Teil aus dem Nachlass heraus, den der Nachkomme erhalten soll, ohne ihn jedoch als Erben einzusetzen.
Auch bei dieser Variante wird die Dauervollstreckung des Vermächtnisses festgehalten. Dem Behinderten wird nur hinterlassen, worauf der Sozialträger nicht zugreifen kann.

Wichtig:

Der Wert des Vermächtnisses sollte über dem Pflichtteilsanspruch liegen. Nach dem Tod des Behinderten fällt das Vermögen einem Nachvermächtnisnehmer zu.

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