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Beweislast bei Arztfehlern

Die Last mit dem Beweis

Wer muss was beweisen? Und wie soll das gehen? Gerichte erleichtern es im Prozess den Patienten als schwächerer Partei.

Die Grundregel

In einem Prozess hat jeder die für ihn günstigen Tatsachen darzulegen und zu beweisen. In einem Arzthaftungsprozess müssen Sie als Patient also beweisen,

  • dass ein Behandlungsfehler passiert ist,
  • dass der beklagte Arzt diesen Fehler zu verantworten hat,
  • dass Sie einen Schaden erlitten haben und
  • dass gerade dieser Fehler Ursache für Ihren erlittenen Schaden war.

Merkblätter für Rechtsschutzkunden von ERGO

Im Servicebereich finden Sie Merkblätter zu den Themen Einsichtsrecht in die Patientenakte und Beweissicherung.

Diese Anforderungen stellen die Gerichte an Sie als Patienten

In einem Arzthaftungsprozess stehen sich medizinische Laien (Patienten) und Fachleute (Ärzte) gegenüber. Um so etwas wie Waffengleichheit zu schaffen, sind die Gerichte den Patienten in einigen Punkten entgegengekommen.

So müssen Sie  einen behaupteten Fehler nicht in allen Einzelheiten darlegen. Es reicht, wenn Sie konkrete Verdachtsgründe angeben, woraus Ihnen ein Schaden entstanden ist. Das Gericht zieht dann die Krankenunterlagen heran und holt ein Sachverständigengutachten ein, um die Qualität der Arbeit Ihres Arztes beurteilen zu können. Darüber hinaus haben die Richter eine verstärkte Pflicht zur Amtsermittlung. Das heißt, sie müssen aktiv versuchen, den Sachverhalt mit aufzuklären.

Beweiserleichterung bei groben Behandlungsfehlern

Ein ganz entscheidender Punkt für die Frage, wie viel Sie Ihrem Arzt vor Gericht nachweisen müssen, ist die Feststellung der Schwere des Behandlungsfehlers:

Können Sie Ihrem Arzt nur einen leichten Behandlungsfehler nachweisen, müssen Sie zusätzlich beweisen, dass dieser Fehler auch ursächlich für Ihren erlittenen Schaden war.

Können Sie Ihrem Arzt hingegen einen groben Behandlungsfehler nachweisen, ist Ihre Beweislast damit erfüllt:  Es wird nunmehr gesetzlich vermutet, dass Ihr Schaden auf den Fehler des Arztes zurückzuführen ist. Der Arzt muss nun seinerseits beweisen, dass das nicht stimmt.

Gut zu wissen

Auch nicht-ärztliches medizinisches Personal (Krankenschwestern) kann einen "groben Behandlungsfehler" mit den entsprechenden Folgen für die Beweislast begehen. Als Patient können Sie damit allerdings nur argumentieren, wenn es sich um direkt durch den Behandlungsfehler verursachte Schäden handelt. Nicht jedoch bei etwaigen Folgeschäden.

Einzelne Fehler und die Konsequenzen für die Beweislast

Dokumentation

Der behandelnde Arzt ist zur ordnungsgemäßen Dokumentation seiner Behandlung verpflichtet. Zeichnet er "medizinisch gebotene wesentliche Maßnahmen und ihr Ergebnis" nicht auf, wird vermutet, dass er diese Maßnahmen nicht durchgeführt hat.

Klafft also in Ihrer Patientenakte eine Lücke, müssen Sie sich keine Gedanken machen: Alles, was nicht in der Akte steht, hat der Arzt auch nicht gemacht. Zu seiner Entlastung müsste er beweisen können, dass er die Maßnahme tatsächlich durchgeführt hat.

Mangelnde Aufklärung

Haben Sie einen Schaden aus einer Behandlung erlitten, über deren Risiken Sie Ihr Arzt vorab nicht oder nicht umfassend genug aufgeklärt hat, ist Ihr Arzt Ihnen gegenüber schadensersatzpflichtig. Das gilt nur dann nicht, wenn er nachweisen kann, dass Sie den Schaden auch dann erlitten hätten, wenn er Sie umfangreich aufgeklärt hätte.

Mangelnde Befunderhebung

Wenn gewisse Befunde hätten erhoben werden müssen und der Arzt das unterlassen hat, liegt ebenfalls ein grober Behandlungsfehler vor. Die Folge ist wiederum eine Beweiserleichterung für Sie.

Kein Facharzt

Ein weiterer Grund für eine Beweislastumkehr kann auch der "mangelnde Facharztstand" Ihres Arztes sein: Wurde die Behandlung durch einen nicht befähigten Arzt durchgeführt, wird vermutet, dass die mangelnde ärztliche Befähigung für den Eintritt des Schadens ursächlich war. Zur Entlastung müsste der betroffene Arzt nun nachweisen, dass der Schaden des Patienten nicht durch seine mangelnde Kenntnis verursacht wurde.

Krankenhauspersonal

Krankenschwestern, Pfleger, Hebammen – je nachdem, ob es im Prozess um vertragliche oder deliktische Ansprüche geht, ist die Beweislast unterschiedlich verteilt. Bei Ansprüchen aus dem Behandlungsvertrag haftet der Arzt immer für die Fehler seiner "Erfüllungsgehilfen". Die Beweislast liegt bei Ihnen. Bei Ansprüchen aus Delikt (unerlaubter Handlung) kann sich der Arzt dadurch entlasten, dass er nachweist, das Personal sorgfältig genug ausgewählt, angeleitet oder bei der Arbeit überwacht zu haben.

Besonderheit: Hygienemängel

Zu Ihren Gunsten wird gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 IfSG (Infektionsschutzgesetz) vermutet, dass die Ansteckung mit einem multiresistenten Keim auf ein fehlerhaftes Verhalten des medizinischen Personals zurückzuführen ist. Arzt oder Krankenhausträger haben ihrerseits zu beweisen, dass alles Erdenkliche getan wurde, Sie infektionsfrei zu versorgen.

Der Entlastungsbeweis gelingt ihnen aber nur dann, wenn sie durch Vorlage schriftlicher Aufzeichnungen belegen können, dass sie die Hygieneempfehlungen des Robert-Koch-Instituts eingehalten haben.

Besonderheit: Anscheinsbeweis

Der Anscheinsbeweis führt ebenfalls zu Ihren Gunsten zu einer Beweiserleichterung: Ihn können Sie sich bei typischen Geschehensabläufen zunutze machen. Das heißt dann, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat. In diesen Fällen wird vermutet, dass der Behandelnde fehlerhaft gehandelt hat.

Beispiel: Ein Patient liegt mit einem Scharlachkranken im Zimmer und bekommt auch Scharlach.

Beweismittel

Beweismittel vor Gericht können sein:

  • Urkunden; die wichtigste Urkunde im Arztprozess ist die Krankenakte
  • Zeugen
  • Sachverständige
  • Inaugenscheinnahme durch das Gericht
  • Vernehmung der Parteien

Tipp

Notieren Sie im Fall eines ärztlichen Fehlers z. B. im Krankenhaus den Namen und die Anschrift Ihres Bettnachbarn oder anderer Personen, die als Zeugen für Sie aussagen können. Sprechen Sie den behandelnden Arzt auf den Behandlungsfehler konkret an. Er ist Ihnen gegenüber zur Auskunft verpflichtet, wenn ein begründeter Verdacht besteht.

Verjährung

Falls Ihre Ansprüche verjährt sind, muss die Gegenseite das beweisen, indem sie die Einrede der Verjährung vorbringt. Beweisen muss der Arzt auch den Zeitpunkt, an dem die Verjährung zu laufen begonnen hat: also den Schluss des Jahres, in dem Sie von dem Behandlungsfehler Kenntnis erhielten oder ohne grobe Fahrlässigkeit Ihrerseits hätten erhalten können.

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