Neben Vermögensschäden können Sie als Geschädigter auch Ihren immateriellen Schaden geltend machen. Damit ist Schmerzensgeld gemeint. Dabei hat eine Änderung durch den am 01.08.2002 eingeführten § 253 Absatz 2 BGB stattgefunden: Konnte Schmerzensgeld zuvor nur bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung geleistet werden (§§ 823 ff. BGB), reichen nun auch rein vertragliche Schadensersatzansprüche aus.
Zweck des Anspruchs
Das Schmerzensgeld soll Ihnen als Opfer Ausgleich und Genugtuung für erlittenes Übel verschaffen. Die Gerichte versuchen bei seiner Bemessung alles einzubeziehen, was für das Zustandekommen des Schadens und dessen Beseitigung eine Rolle gespielt hat, z. B.:
- Die Intensität und Dauer des Schmerzes
- Etwaige Entstellungen
- Die Dauer der Arbeitsunfähigkeit
- Die Dauer einer stationären Behandlung
- Weitere notwendig gewordene Behandlungen
- Die näheren Umstände, die zu dem Schadensereignis geführt haben
- Den Umfang der Schuld des Verursachers
Merkblätter für Rechtsschutzkunden von ERGO
Einen ersten Überblick gibt Ihnen das Merkblatt Schmerzensgeld – eine Urteilssammlung im Servicebereich.
Kein Schmerzempfinden?
Es spielt keine Rolle, ob Sie Schmerzen gespürt haben oder nicht. Auch bei Bewusstlosen und Komapatienten erkennen die Gerichte Schmerzensgelder an.
Wie viel?
Das ist die alles entscheidende Frage. Und kaum zu beantworten, da es sehr unterschiedliche Urteile gibt. Hilfestellung für die Abschätzung, wie viel Schmerzensgeld Ihnen zustehen kann, gibt die an verschiedenen Stellen veröffentlichte Schmerzensgeldtabellen.
Hier einige Urteile. Aber bitte beachten Sie dabei unbedingt, dass die Gerichte nicht an die Urteile anderer Gerichte gebunden sind. Es kommt immer auf den Einzelfall an. Die Urteile dienen nur als erste Richtschnur, mehr nicht.
Zuspruch eines Schmerzensgeldes von 250 €:
Das Amtsgericht Neubrandenburg hat einer älteren Dame, die im Pflegeheim lebte, mit Urteil vom 16.01.2011, Az. 18 C 739/10, ein Schmerzensgeld in Höhe von 250 € zugesprochen. Deren Hausärztin hatte trotz bekannter Allergie ein Medikament verabreicht, das bei der Betroffenen über einen Tag lang zu Spannungsgefühlen an Händen und Füßen geführt hat, verbunden mit Rötungen.
Zuspruch eines Schmerzensgeldes von 1.500 €:
Das Oberlandesgericht München hat einem Patienten mit Urteil vom 17.03.2011, Az. 1 U 2210/09, ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.500 € zugesprochen, nachdem dieser über die mit einer Handoperation verbundenen Risiken nicht ausreichend aufgeklärt wurde.
Zuspruch eines Schmerzensgeldes von 2.000 €:
Das Landgericht Bremen hat einer Patientin mit Urteil vom 19.04.1989, Az. 7 S 78/89a, ein Schmerzensgeld in Höhe von damals 4.000 DM zugesprochen, nachdem man das falsche Kniegelenk arthroskopiert hatte.
Zuspruch eines Schmerzensgeldes von 5.000 €:
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat einer Rentnerin mit Urteil vom 13.08.2002, Az. 8 U 84/02, ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € zugesprochen, nachdem die Behandler über insgesamt 10 Wochen vergessen hatten, einen Nylonfaden nach einer ansonsten korrekt durchgeführten Augenoperation zu entfernen. Die Patientin litt derweil unter starken Schmerzen. Das Auge tränte und war stark geschwollen.
Zuspruch eines Schmerzensgeldes von 7.500 €:
Das Thüringer OLG hat einer Frau mit Urteil vom 14.03.2011, Az. 4 U 523/09, ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500 € zugesprochen, nachdem diese ihr Kind durch einen verspätet durchgeführten Notkaiserschnitt verloren hat.
Zuspruch eines Schmerzensgeldes von 15.000 €:
Ein Zahnarzt hat einem 16-jährigem Jugendlichen 8 Zähne entfernt, obwohl dies medizinisch nicht indiziert war. Der Patient ist künftig gehalten, eine herausnehmbare Oberkieferprothese zu tragen. Das Oberlandesgericht Hamm hat dem Betroffenen danach einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 15.000 € zugesprochen (vgl. Urteil vom 24.01.2001, Az. 3 U 107/00, veröffentlicht in NJW 2001, 3417 ff.).
Zuspruch eines Schmerzensgeldes von 22.500 €:
Das Landgericht Lüneburg hat einem Patienten mit Urteil vom 22.11.1995 ein Schmerzensgeld in Höhe von damals 45.000 DM zugesprochen (Az. 2 O 271/94), da dessen Hausarzt ein Kehlkopfkarzinom zunächst übersehen hatte. Kehlkopf und Stimmbänder mussten schließlich entfernt werden. Der Patient kann sich fortan nur mithilfe eines elektrischen Resonanzverstärkers artikulieren.
Zuspruch eines Schmerzensgeldes von 50.000 €:
Das Landgericht Mainz hat einer 19-jährigen Frau mit Urteil vom 24.06.2010, Az. 2 O 312/06, einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 50.000 € zugesprochen, nachdem ihr im Alter von 15 Jahren bei der Entnahme des mit Krebszellen belasteten linken Eierstocks der eigentlich gesunde rechte Eierstock herausoperiert wurde. Die Betroffene wird nie eigene Kinder bekommen können und dauerhaft Hormone einnehmen müssen.
Zuspruch eines Schmerzensgeldes von 100.000 €:
Das Oberlandesgericht Braunschweig hat dem Ehemann einer verstorbenen Patientin aus ererbtem Recht mit Urteil vom 30.12.2010, Az. 1 U 37/10, einen Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 100.000 € zugesprochen, nachdem die Hausärztin bei seiner damals 35-jährigen Ehefrau eine Darmkrebserkrankung zunächst übersehen hatte. Die Ehefrau verstarb schließlich nach mehreren Operationen und Chemotherapien nach über 2-jährigem Leidensweg.
Einige Urteile sind schon älter. Sie können aber trotzdem auch heute noch für die Entscheidung ähnlich gelagerter Fälle herangezogen werden. Zugunsten des Betroffenen wird dann aber die Geldentwertung berücksichtigt. Ebenso die Tendenz in der Rechtsprechung, bei gravierenden Verletzungen höhere Schmerzensgelder zuzusprechen.
Einmal Geld und Schluss?
Schmerzensgeld wird als Einmalzahlung geleistet. In Ausnahmefällen allerdings kann eine Schmerzensgeldrente zugesprochen werden. Voraussetzung: Dies wurde in der Klage ausdrücklich gefordert. Üblich ist die Rente in Fällen von Dauerschäden, bei denen es immer wieder zu Schmerzen kommt. V. a. bei Geburtsschäden, die mit einem Persönlichkeitsverlust verbunden sind. Gleiches gilt auch bei dauerhaftem Verlust einer der 5 Sinne, z. B. bei Erblindung.
Schmerzensgeld für Erben?
Der Anspruch des Geschädigten auf Schmerzensgeld ist vererblich. Der Verstorbene braucht dazu keinerlei Regelungen zu treffen.
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