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Annahme und Ausschlagung der Erbschaft

Kein voreiliger Verzicht

... wer nicht will, der braucht auch nicht

Junger Mann macht eine abwehrende Geste.

Wer an eine Erbschaft denkt, träumt meist von Geld, Immobilien und Wertsachen. Was viele nicht wissen: Erben müssen auch die Schulden des Erblassers übernehmen.

Eine Erbschaft bedeutet nicht immer einen plötzlichen Geldsegen, sondern kann auch erhebliche Proble­me mit sich bringen. So kann die Erbschaft mit Vermächtnissen und Pflichtteilsansprüchen belastet sein. Zudem gehen mit dem Erbe nicht nur das Vermögen, sondern auch Schulden auf den oder die Erben über. Und für die haften die Erben in der Regel uneinge­schränkt, also mit dem gesamten eigenen Vermögen. Trotzdem sollte eine Erbschaft auf keinen Fall vorschnell ausgeschlagen werden, denn eine derartige Erklärung kann nicht widerrufen werden und es gibt Möglichkeiten, die Haftung auf das Erbe zu beschränken.

Zu Beginn Ihrer Überlegung, ob Sie das Erbe annehmen oder ausschlagen möchten, ist es sinnvoll ein Nachlassverzeichnis zu erstellen. Sie müssen sich irgendwie einen Überblick über das verschaffen, was Sie da erben. Sinnvoll kann es sein, beim Nachlassgericht am letzten Wohnort des Verstorbenen Einsicht in die Nachlassakte zu beantragen. Das kann jeder, der ein berechtigtes Interesse am Inhalt der Akte hat. Wenn Sie Erbe geworden sind, haben Sie dies natürlich. 

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Annahme der Erbschaft

Wollen Sie erben, stellt sich die Situation ganz einfach dar: Die Erbschaft fällt Ihnen zum Zeitpunkt des Erbfalles (Tod des Erblassers) nämlich kraft Gesetzes in den Schoß. Die ausdrückliche Annahme ist nicht erforderlich. Vom Nachlassgericht, den Miterben und den Nachlassgläubigern kann sie nur in Ausnahmefällen gefordert werden. Üblicherweise gilt die Erbschaft als angenommen, wenn ein unbeteiligter Dritter dies an Ihren Handlungen und Erklärungen als schlüssiges Verhalten erkennen kann. Wenn Sie also bereits über Nachlassgegenstände verfügen, vermitteln Sie damit schlüssig Ihren Eigentumsanspruch und haben damit die Erbschaft angenommen.

Dies gilt beispielsweise auch, wenn Sie

  • einen Erbschein beantragen
  • den Erbschaftsanspruch geltend machen. 

Die Folgen der Annahme

Als Erbe treten Sie in viele Rechtspositionen des Verstorbenen ein. Sie erhalten das Bargeld, das Haus, den Schmuck und andere Vermögensgegenstände. Zusätzlich müssen Sie sich aber auch um den Hausrat kümmern, Verträge kündigen und die aufgelaufenen Schulden des Erblassers übernehmen. Dabei kann sich ergeben, dass der Schuldenteil das Vermögen teils weit übersteigt. Dann zahlen Sie nur für den wohlgemeinten Nachlass. Sie haften sogar mit Ihrem persönlichen Vermögen.

Tipp

Vorsicht

Nach der Annahme können Sie die Erbschaft nicht mehr ausschlagen!

Ausschlagung der Erbschaft

Rein vorsorglich können Sie eine Erbschaft nicht ausschlagen. Zunächst muss der Erblasser verstorben sein. Außerdem müssen Sie Kenntnis davon erlangt haben, dass Sie Erbe geworden sind. Wurden Sie in einem Testament bedacht, erhalten Sie eine schriftliche Benachrichtigung über die Eröffnung des Testaments. Hat der Verstorbene kein Testament oder Erbvertrag hinterlassen, erfolgt die Erbschaft nach der gesetzlichen Erbfolge. Und hierbei müssen Sie aufpassen. Besteht ein Verwandtschaftsverhältnis zum Verstorbenen, wird Ihre Kenntnis von der Erbschaft unterstellt. Eine amtliche Benachrichtigung erhalten Sie nicht.

Form

Wenn Sie sich endgültig entschieden haben das Erbe nicht annehmen zu wollen, müssen Sie dies dem Nachlassgericht mitteilen. Sie können die Ausschlagungserklärung dort zu Protokoll geben, oder Sie lassen Ihre Erklärung bei einem Notar beglaubigen und adressieren diese dann an das Gericht. In jedem Fall: dokumentieren Sie Ihre Ausschlagung für sich, damit Sie diese möglichen Nachlassgläubigern zeigen können.  

Frist

Um die Erbschaft wirksam auszuschlagen, müssen Sie auf den Eintritt des Erbfalles warten. Bekunden Sie Ihr Desinteresse bereits zu Lebzeiten des Erblassers, ist das rechtlich bedeutungslos. Die Ausschlagungsfrist beträgt 6 Wochen und beginnt, wenn der Erblasser verstorben ist und Sie erfahren, dass Sie Erbe geworden sind.

Die Frist läuft für ...

  • Erben mit Testament: Sind Sie durch ein Testament oder einen Erbvertrag als Erbe berufen, gilt die Sechs-Wochen-Frist ebenfalls. Sie beginnt aber erst mit der amtlichen Benachrichtigung durch das Nachlassgericht.
  • Erblasser oder Erben im Ausland: Lebte der Erblasser bis zu seinem Tod im Ausland, verlängert sich die Ausschlagungsfrist auf sechs Monate. Dies gilt auch, wenn Sie als Erbe sich bei Eintritt des Erbfalles im Ausland aufhielten.
  • gezeugte, aber noch nicht geborene und minderjährige Erben: Für Gezeugte, aber noch ungeborene Erben beginnt die Ausschlagungsfrist mit ihrer Geburt. Die Erklärung zur Ausschlagung müssen beide Elternteile abgeben und brauchen dabei außerdem die Genehmigung des Familiengerichtes

Gut zu wissen

Für die Wirksamkeit der Ausschlagungserklärung ist es erforderlich, dass der gesetzliche Vertreter von der wirksamen Genehmigung auch Gebrauch macht. So entschied das OLG Frankfurt in seiner Entscheidung vom 14.09.2018 ( 21 W 56/18). Daher ist es nicht ausreichend, dass dem gesetzlichen Vertreter die Genehmigung durch das Familiengericht wirksam erteilt wurde, sondern auch, dass er von dieser vor Ablauf der Ausschlagungsfrist gegenüber dem Nachlassgericht Gebrauch gemacht hat. Tut er dies nicht, ist die Ausschlagung unwirksam.

 

Besondere Konstellationen

  • Pflichtteilsempfänger: Vielleicht sind Sie enterbt und Pflichtteilsempfänger. Dann haften Sie nicht für Nachlassverbindlichkeiten. Eine Ausschlagung können Sie sich sparen. Denn für Nachlass-Schulden haften ja nur die Erben.
  • Vermächtnisnehmer: Sind Sie nicht Erbe, sondern hat Ihnen der Erblasser ein Vermächtnis zugedacht, brauchen Sie diese Frist nicht zu beachten. Sie können schlicht darauf verzichten, Ihren Anspruch auf das Vermächtnis geltend zu machen. Wollen Sie klar Verhältnisse schaffen, können Sie die Ausschlagung auch ausdrücklich erklären.
  • Das geerbte Ausschlagungsrecht: Als Erbe verfügen nur Sie persönlich über das Recht, auf Ihre Erbschaft zu verzichten. Dieses Recht ist nicht übertragbar, aber vererbbar. Kommt Ihnen also Ihr eigener Tod vor der Ausschlagung in die Quere, geht dieses Recht auf Ihren Erben über. Die Sechs-Wochen-Frist läuft dann für ihn weiter, wo diese für Sie endete.

Frist versäumt – und nun?

Ist die Frist zur Ausschlagung abgelaufen, sind Sie Erbe ohne darüber gesondert unterrichtet zu werden. Unter bestimmten Umständen können Sie aber trotz Versäumung der Ausschlagungsfrist die Erbschaft doch noch loswerden. Sie können die Annahme der Erbschaft anfechten. Die Rechtsprechung hat verschiedene Gründe anerkannt. Dazu gehört beispielsweise der Irrtum über die Anzahl der Erben und die Größe des Erbteils, der Irrtum über die Höhe der Nachlassverbindlichkeiten, den Nachlasswert oder das Vorhandensein beziehungsweise das Fehlen bestimmter Nachlassgegenstände. Die Frist für die Anfechtung beträgt wiederum sechs Wochen ab Kenntnis oder Wegfall des Hinderungsgrundes.

Tipp

Ihr "Nein" zur Erbschaft ist eines ohne Wenn und Aber. An Bedingungen oder Befristungen können Sie die Ausschlagung nicht knüpfen. Sie ist dann unwirksam. Wägen Sie gut ab und hüten Sie sich vor Schnellschüssen: Die Ausschlagung ist nicht mehr widerrufbar, wenn sie denn beim Nachlassgericht vorliegt. Fallen Ihnen mehrere Erbteile in den Schoß, müssen Sie nicht alle annehmen. Sie können wahlweise einen behalten, den anderen ausschlagen. Voraussetzung ist allerdings die Berufung zum Erben basiert auf verschiedenen Gründen. Die teilweise Ausschlagung oder Annahme einer einheitlichen Erbschaft ist nicht zulässig. Beispiel: Sie erben drei Viertel des Nachlasses Ihres Vaters, Ihre Mutter ist enterbt und Ihr Bruder erbt ein Viertel. Zeigt Ihr Bruder kein Interesse und schlägt aus, fällt das Viertel an Sie. Nun haben Sie die Wahl: Alles, etwas (Ihre drei Viertel) oder gar nichts.

Folgen

Haben Sie wirksam auf den Nachlass verzichtet, gilt die Erbschaft an Sie als nicht erfolgt. Sie fällt nun dem oder den Nächsten in der Reihe der Erbschaftsanwärter zu. Ihre Miterben können Ihnen nach der Ausschlagung eine Forderungsliste übermitteln und Sie zur Herausgabe aller als Erbe erlangten Dinge auffordern. Gegenüber möglichen Nachlassgläubigern müssen Sie beweisen können, zu welchem Zeitpunkt innerhalb der Sechs-Wochen-Frist Sie die Erbschaft ausgeschlagen haben. Also die Dokumente zur Ausschlagung gut aufbewahren!

Gut zu wissen

Eine einmal ausgesprochene Ausschlagung der Erbschaft ist bindend. Ein Widerruf der Ausschlagungserklärung ist nicht möglich. Ob die Erklärung über die Ausschlagung wegen eines Irrtums angefochten werden kann , ist nur in sehr engen Grenzen möglich. So hat das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 19.12.2018 (I-3 Wx 140/18) entschieden, dass derjenige, der "...ohne nähere Kenntnis der Zusammensetzung des Nachlasses lediglich einer Fehlvorstellung über die Größe der Erbschaft unterliegt, ist nicht zur Anfechtung seiner Ausschlagungserklärung berechtigt." Dies stelle einen reinen Motivirrtum dar und rechtfertige keine Irrtumsanfechtung. Der vorliegende Fall wird in der nächsten Instanz nun vom BGH überprüft.

Sonderfall: Lebensversicherung

Von einer Erbschaft müssen Sie das Bezugsrecht aus einer Lebensversicherung unterscheiden. Lebensversicherungen sehen für den Todesfall einen Bezugsberechtigten vor, der statt des Verstorbenen die Leistungen erhält. Das hat nichts mit einer Erbschaft zu tun. Manchmal benennen Versicherungsnehmer auch keine bestimmte Person, sondern hinterlegen „die Erben“ als Bezugsberechtigte. Dieses Recht ist aber nicht an die Erbschaft gekoppelt. Das heißt, Sie können eine überschuldete Erbschaft ausschlagen und trotzdem als Bezugsberechtigter die Versicherungsleistung kassieren.

Besonderheit: Erbschaft unter Ehegatten

Beerben Sie Ihren Ehegatten, sind im Einzelfall sowohl mathematische Grundkenntnisse als auch juristisches Spezialwissen erforderlich.

Tipp

Besprechen Sie die Ausschlagung einer Erbschaft aber vorher unbedingt und wegen der kurzen Frist von sechs Wochen schnellstens mit einem Rechtsanwalt.

Pauschaler oder berechneter Zugewinn

Als überlebender Ehegatte schneiden Sie bei der Annahme der Erbschaft womöglich schlechter ab, als bei der Ausschlagung. Das liegt daran, dass der pauschalierte Zugewinnausgleich (ein Viertel des Nachlasses) niedriger ausfällt, als bestünden Sie auf dessen konkreter Berechnung. Schlagen Sie die Erbschaft aus, verzichten Sie zwar auf Ihren halben Anteil am Gesamterbe. Stattdessen bekommen Sie nur den Pflichtteil, also die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Daneben verlangen Sie aber die konkret errechnete Hälfte des Zugewinns. Dieser gewundene Juristen-Pfad bietet sich besonders an, wenn Ihr verstorbener Ehemann sogenannter Alleinverdiener war und das gesamte Vermögen sein Zugewinn. 

Beispiel

Ihr Ehemann hinterlässt bei seinem Ableben nach einer Ehe auf Zugewinngemeinschaft Ihnen und Ihren beiden Kindern 1.000.000 Euro. Der konkret berechnete halbe Zugewinn beträgt 500.000 Euro. Ausgeschlagenes Erbe: Winken Sie jetzt ab, bekommen Sie den konkret berechneten Zugewinn sowieso und wegen der Ausschlagung den Pflichtteil als Sahnehäubchen obenauf. Der beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also ein Achtel des Gesamtnachlasses (in unserem Beispiel 125.000 Euro). So summiert sich Ihr Habenstand immerhin jetzt auf 625.000 Euro. Angenommenes Erbe: Nehmen Sie die Erbschaft hingegen an, kommen Sie auf insgesamt die Hälfte des Nachlasses, bestehend aus dem einen Viertel des Nachlasses und dem pauschalen Zugewinnausgleich. Ihre Erbschaft: nur 500.000 Euro. Verlust: 125.000 Euro.

Stiefkinder - Erblassers vergessene Nachkommen?

Als überlebender Ehegatte müssen Sie sich nicht nur mit eigenen, sondern womöglich mit Kindern aus einer früheren Ehe des Verstorbenen auseinandersetzen. Ihren Stiefkindern haben Sie nämlich eine angemessene Ausbildung aus Ihrem zusätzlichen Viertel des Nachlasses für den pauschalierten Zugewinnausgleich zu zahlen. Dies allerdings nur, wenn das Kind bedürftig ist. Denn zunächst muss es schon eigene Mittel (eigenes Vermögen und den möglicherweise erlangten Erbteil) dafür einsetzen. Den Forderungen der Stiefkinder entgehen Sie allerdings, indem Sie den pauschalierten Zugewinnausgleich ausschlagen.

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