
Rechtsfrage des Tages:
Im dichten Stadtverkehr kann die Fahrt eines Rettungswagens im Einsatz zum gefährlichen Slalom werden. Manchmal wird ein Rettungs- oder Polizeiwagen auch geblitzt. Bekommt der Fahrer dann einen Bußgeldbescheid? Und wer haftet, wenn es zu einem Unfall kommt?
Antwort:
Für Fahrer von Rettungsfahrzeugen gelten genau dieselben Verkehrsregeln wie für alle anderen Verkehrsteilnehmer auch. Allerdings sieht § 35 Straßenverkehrsordnung (StVO) in bestimmten Fällen Sonderrechte für Rettungswagen vor: Kommt es bei der Rettung Verletzter oder Kranker buchstäblich auf jede Minute an, sind Rettungswagenfahrer von den Vorschriften der StVO befreit. An die verkehrsrechtliche Sorgfaltspflicht müssen sie sich natürlich trotzdem halten. Kommt es zu einem Unfall, kann es zumindest zu einer Mithaftung des Rettungswagenfahrers kommen.
Menschen in Gefahr
Unter bestimmten Umständen genießen Rettungsfahrzeuge Sonderrechte. Voraussetzung für diese Sonderrechte ist, dass besondere Eile geboten ist. Etwa, weil Menschenleben zu retten oder schwerwiegende gesundheitliche Schäden abzuwenden sind. Daneben muss die Eile auch geeignet sein, die Gefahr abzuwenden. Rettungswagenfahrer dürfen sich dann über geltende Verkehrsregeln hinwegsetzen, ohne gegen die Straßenverkehrsordnung zu verstoßen. Sie dürfen z. B.:
• über rote Ampeln fahren
• die zulässige Höchstgeschwindigkeit missachten
• Einbahnstraßen entgegen der Fahrtrichtung nutzen
Entscheidend ist dabei, dass der Fahrer die besondere Eile für geboten erachten darf. Aber was, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass der Unfall doch nicht so schlimm war? Oder dass der befürchtete Herzinfarkt nur eine leichte Herzrhythmusstörung war? Auch dann hat der Fahrer nichts zu befürchten.
Mit wachsamem Auge
Allerdings finden die Sonderrechte auch in der verkehrsrechtlichen Sorgfaltspflicht Grenzen: Es gilt das sogenannte Übermaßverbot. Auch muss der Fahrer des Rettungswagens alles tun, um andere Verkehrsteilnehmer nicht mehr als notwendig zu behindern oder zu gefährden. In der Praxis bedeutet das: Ein Rettungswagen darf beispielsweise nicht einfach trotz Rotlicht in eine Kreuzung rasen. Vielmehr muss der Fahrer je nach Verkehrssituation abbremsen und vor der roten Ampel prüfen, ob die anderen Verkehrsteilnehmer ihn wahrgenommen haben. Daher haben Rettungswagen meist Blaulicht und Martinshorn eingeschaltet, um an gefährlichen Stellen auf sich aufmerksam zu machen und die anderen Verkehrsteilnehmer zu warnen. Voraussetzung für die Nutzung der Sonderrechte ist das allerdings nicht.
Wenn es kracht
Leider kommt es insbesondere in Kreuzungsbereichen immer wieder zu Unfällen. Üblicherweise liegt das Verschulden dann bei dem Verkehrsteilnehmer, der das rote Lichtzeichen missachtet hat. Handelt es sich aber um ein Rettungsfahrzeug, das mit Sonderrechten unterwegs war, ist die Haftungsverteilung nicht so eindeutig. Denn auch wer grün hat, muss auf Einsatzfahrzeuge achten und diesen Vorrang gewähren. So entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main auf eine hälftige Haftungsteilung zwischen einem Autofahrer und einem Rettungswagen. Der Autofahrer haftete dabei trotz grüner Ampel wegen Missachtung der Sonderrechte des Rettungsfahrzeugs. Der Rettungswagenfahrer hatte hingegen gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen, da er nicht vorsichtig genug in den Kreuzungsbereich eingefahren war (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.11.2023, Aktenzeichen: 17 U 121/23)
Polizei und Feuerwehr
§ 35 StVO gilt auch für einige weitere besondere Verkehrsteilnehmer. Die Berufsgruppen sind in der Vorschrift aufgezählt. Dazu gehören Feuerwehr, Polizei und Katastrophenschutz. Auch sie dürfen die Sonderrechte in Anspruch nehmen. Vorausgesetzt, deren Wahrnehmung ist für die Erfüllung staatlicher Aufgaben dringend geboten. Bei der Polizei kann das eine Geschwindigkeitsmessung durch Nachfahren sein, bei der Feuerwehr die Fahrt zu einem Brand. Auf die akute Bedrohung eines Menschenlebens kommt es dabei nicht an.
Platz da!
Eine weitere Sonderbestimmung ist das Wegerecht: Sind Einsatzfahrzeuge der in der Vorschrift genannten Berufsgruppen mit Blaulicht und Martinshorn unterwegs, müssen andere Verkehrsteilnehmer unverzüglich den Weg freimachen. Der Einsatz der Warnsignale ist dabei zwingende Voraussetzung. Ignorieren andere Verkehrsteilnehmer das Wegerecht und blockieren einen Rettungswagen oder eine Polizeistreife im Einsatz, droht ein sattes Bußgeld.
Beim Ausweichen geblitzt
Nähert sich ein Einsatzfahrzeug mit Blaulicht und Martinshorn, müssen Sie also umgehend zur Seite fahren. Dabei kann es passieren, dass Sie nur durch das Überfahren einer roten Ampel Platz machen können. Oder Sie können nicht ausweichen und müssen daher bewusst zu schnell fahren. Werden Sie dabei geblitzt, müssen Sie für gewöhnlich nicht mit einem Bußgeld rechnen. Zwar haben Sie fahrlässig oder sogar vorsätzlich gegen eine Verkehrsvorschrift verstoßen. Doch Ihr Verhalten ist durch den Notstand gerechtfertigt. Problematisch kann allenfalls der Beweis werden. Wurde das Einsatzfahrzeug gleich mit abgelichtet, haben Sie Glück. Aber das ist nicht immer der Fall.
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