17 Mio. Menschen in Deutschland verbringen ihren Arbeitsalltag im Büro, Tendenz steigend. Wie sich die Arbeit am Computer letztendlich auf die Gesundheit und unser Sehvermögen auswirkt, ist bislang aber wenig erforscht.
Wir haben darüber mit Sabine Heegner gesprochen. Die Diplom-Sozialwissenschaftlerin ist seit mehr als 20 Jahren als Fachkraft für Arbeitssicherheit tätig und berät öffentliche Einrichtungen sowie Wirtschaftsunternehmen in Sachen Arbeitsplatzgestaltung und Arbeitnehmerschutz.
Frau Heegner, immer wieder liest man, dass sich Bildschirmarbeit negativ auf das Sehvermögen auswirkt. Ist das tatsächlich so?
Bislang konnte kein wissenschaftlicher Nachweis erbracht werden, dass die Arbeit am Computer zu direkten Schädigungen am Auge führt. Allerdings kann Bildschirmarbeit bei Menschen mit einer nicht oder nicht ausreichend korrigierten Kurz- oder Weitsichtigkeit die Sehqualität weiter verschlechtern. Experten schätzen, dass dies auf etwa 30 bis 40 % der Bevölkerung zutrifft. Weil die Anpassungsfähigkeit der Augenlinse mit zunehmendem Alter nachlässt und das scharfe Sehen in der Nähe erschwert wird, ist es deshalb sinnvoll, das Sehvermögen bei Beschäftigten an Bildschirmarbeitsplätzen regelmäßig zu kontrollieren.
In welchen zeitlichen Abständen sollte man sein Sehvermögen untersuchen lassen?
Vor Aufnahme einer Bildschirmtätigkeit und danach alle 5 Jahre. Personen über 40 alle 3 Jahre. Das ist im Rahmen der betrieblichen arbeitsmedizinischen Vorsorge, die übrigens jeder Arbeitgeber gesetzlich verpflichtend anbieten muss, für den Arbeitnehmer aber freiwillig ist, auch so vorgeschrieben.
Welche Probleme treten bei der Bildschirmarbeit am häufigsten auf?
Die Arbeit am PC ist sehr anstrengend für das Auge: Da wir seltener blinzeln, wird das Auge nicht ausreichend mit Tränenflüssigkeit benetzt. Trockene Augen, gerötete Augen, müde Augen und mitunter auch Entzündungen können die Folge sein. Zudem ist das Auge ja ein Muskel, der bewegt werden will. Bei der PC-Arbeit schauen wir aber stundenlang monoton auf den Bildschirm. Oder aber – und das ist das andere Extrem – das Auge wird überanstrengt, weil es sich, beispielsweise beim Abtippen eines Textes, permanent an unterschiedliche Lese-Entfernungen anpassen muss. Es findet ein ständiger Blickwechsel zwischen Tastatur, Papier und Bildschirm statt. Bei manchen Menschen führt das sogar zu Kopfschmerzen.
Was raten Sie Betroffenen?
Gönnen Sie Ihren Augen regelmäßig Pausen. Blinzeln Sie, schauen Sie aus dem Fenster oder fokussieren Sie Dinge, die sich weiter weg befinden. Auch Übungen können helfen: Mit den Augen rollen oder bewusst an der Kontur eines Gegenstands „entlangschauen“. Ebenso entspannend: Die Handflächen vor die Augen halten und einfach mal ins Nichts blicken. Ein weiterer Tipp gegen trockene Augen oder müde Augen: Verwenden Sie einen Dokumentenhalter, den Sie direkt neben dem Bildschirm aufstellen, sodass der Abstand zwischen Auge und Papier derselbe ist wie zwischen Auge und Bildschirm. Bei einem Trockenheitsgefühl ist es auch gut, viel zu trinken. Im Notfall helfen sogenannte künstliche Tränen zum Befeuchten der Hornhaut.
Welche Bildqualität und Größe sollte der Bildschirm haben?
Heutige Computer haben in der Regel so gute Prozessoren, dass das Bild nicht mehr flimmert. Allerdings kann es manchmal doch dazu kommen, zum Beispiel wenn man einen Laptop an einen Bildschirm anschließt, deren Grafikkarten nicht kompatibel sind. Das ist extrem anstrengend für das Auge. Ein guter Bildschirm sollte mindestens 19 Zoll haben. Je nach Arbeitsaufgabe ist es eventuell sinnvoll, 2 Bildschirme nebeneinander zu verwenden.
Wie sollte der Bildschirm aufgestellt sein?
Um zu vermeiden, dass einfallendes Licht blendet oder es auf der Bildschirmoberfläche zu Reflexionen kommt, sollte der Bildschirm rechtwinklig zum Fenster positioniert werden. Dasselbe gilt für Schreibtischlampen oder andere Leuchtkörper im Raum. Blendet der Bildschirm nämlich und wir weichen aus, indem wir uns zur Seite neigen, kann dies auf Dauer zu Haltungsschäden führen. Gleiches passiert übrigens, wenn die Schrift zu klein ist. Müssen wir uns dauernd nach vorne beugen, um besser sehen zu können, sind Schmerzen im Nacken-, Schulter- und Lendenwirbelbereich vorprogrammiert.
Und wie groß sollte der Abstand zwischen Auge und Bildschirm sein?
Mindestens 50 Zentimeter. Eine Faustregel besagt: Die oberste Textzeile sollte 30 Grad unterhalb der Augenhöhe liegen, so sitzen wir aufrecht. Kleiner Trick: Stellen Sie sich vor, Sie sind am Scheitel mit einem Faden an der Decke verbunden, der diesen sanft nach oben zieht. Dies ist die korrekte Kopfhaltung.
Sind schwarze Buchstaben leichter lesbar als farbige?
Im Großen und Ganzen ja, es kann aber Arbeitsaufgaben geben, in denen farbige Buchstaben sinnvoll sind. Jedoch können starke Farbkontraste das Auge stressen, etwa wenn es erst weiße Buchstaben vor einem schwarzen Hintergrund und dann schwarze Buchstaben vor einem weißen Hintergrund erkennen muss.
Beim Abtippen eines Textes ist es beispielsweise besser, statt eines schneeweißen, ein beiges Papier zu verwenden, das der Bildschirmfarbe entspricht. Auch rate ich von einer schwarzen Tastatur oder einem schwarzen Bildschirmrand ab, da diese einen zu harten Kontrast gegen den hellen Bildschirmhintergrund darstellen. Außerdem sollte man ein Nebeneinander von Blau und Rot vermeiden. Weil die Farbe Blau ihren Brennpunkt vor der Netzhaut hat, Rot jedoch dahinter, erhält das Auge verschiedene Reize, was zu Irritationen beim Sehen führt.
Welche Schriftart und Schriftgröße ist für die Augen angenehm?
Es hat sich gezeigt, dass sich das Auge beim Lesen einer schnörkellosen Schrift, also ohne Serifen, weniger anstrengen muss. Hierzu zählen zum Beispiel die Schriftarten Helvetica oder Arial. Die Schriftgröße ist so anzupassen, dass man den Text lesen kann, ohne die Augen zusammenkneifen zu müssen. 5 Millimeter sollten es aber mindestens sein.
Welchen Nutzen hat eine „Computerbrille“?
So eine arbeitsplatzbezogene Sehhilfe, die in der Regel vom Arbeitgeber bezahlt wird, ist eine spezielle Art von Lesebrille, die an die besonderen Bedingungen am Bildschirmarbeitsplatz angepasst ist. Weil beim normalen Lesen etwa 40 Zentimeter zwischen Auge und Buch liegen, zwischen Auge und Bildschirm aber mindestens 50 Zentimeter, ist eine normale Lesebrille am Bildschirmarbeitsplatz nicht geeignet. Beschäftigte, die auch mit Kunden zu tun haben und immer wieder vom Bildschirm aufschauen müssen, benötigen dagegen oft eine Gleitsichtbrille.
Was ist bei der Anfertigung einer „Computerbrille“ zu beachten?
Bei der arbeitsmedizinischen Vorsorge prüft der Betriebsarzt nicht nur das Sehvermögen und stellt bei einer Indikation eine Überweisung zum Augenarzt aus, sondern er sollte auch notieren, wie der Arbeitsplatz eingerichtet ist und welche Lichtverhältnisse herrschen. Diese Infos sind für den Optiker wichtig.
Manche Menschen schwören auf eine sogenannte Rasterbrille. Dabei handelt es sich um eine schwarze Brille mit winzigen Öffnungen, ähnlich wie beim Facettenauge eines Insekts. Was halten Sie davon?
Es gibt keinen Nachweis über eine Wirksamkeit der Rasterbrille. Im Gegenteil: Ärzte warnen davor, da sie häufig als Sonnenbrille verwendet wird. Da die Rasterbrille aber keinen UV-Schutz hat, ist dies als gefährlich anzusehen. Kritisiert wird auch die Einschränkung des Sehfelds, da das Auge ja ein aktiver Muskel ist. Ich wüsste deshalb nicht, inwiefern die Rasterbrille am Bildschirmarbeitsplatz wirksam sein sollte.
Was raten Sie Kontaktlinsenträgern?
Wer hauptsächlich am PC arbeitet, sollte auf eine Brille umsteigen, denn Kontaktlinsen verstärken das Problem der trockenen Augen zusätzlich. Eine trockene Kontaktlinse brennt und drückt und macht das Weiterarbeiten unmöglich.
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